Zeitreise(n) durch Bad Iburg

Charlottensee

Am Charlottensee steht auf einer Erläuterungstafel geschrieben:

Der Charlottensee
Geschaffen in den Jahren 1932/33 vom Iburger Kurverein zur Erinnerung an Sophie Charlotte, die erste Königin
in Preußen, die am 30. Oktober 1668 als Tochter des Fürstbischofs von Osnabrück und späteren Kurfürsten
von Hannover Ernst August I. und der Kurprinzessin Sophie von der Pfalz im Schloss zu Iburg geboren wurde.
Sophie Charlotte war die Mutter des Soldatenkönigs und die Großmutter Friedrichs des Großen.

 

Luftbild mit Charlottensee, um 1960
Luftbild mit Charlottensee, um 1960

Doch wie und unter welchen Umständen entstand der Charlottensee und welche Nutzung erfolgte hier früher?

Einst befand sich in diesem Bereich ein mit Erlen bestandenes feuchtes und sumpfiges Areal, welches weder verkehrsmäßig noch zivilisatorisch erschlossen war.

Erst 1595 ließ Philipp Sigismund von Braunschweig-Wolfenbüttel (geb.: 01.07.1568 auf Schloss Hessen, gest.: 19.03.1623 in Iburg), seit 1591 Fürstbischof im Hochstift Osnabrück, einen Mühlteich und eine Mahlmühle anlegen. An der Westseite des heutigen Cafés und Restaurants "Schloßmühle Bad Iburg" findet sich noch heute ein Gedenkstein aus Baumberger Sandstein mit der Inschrift:
"Philipp Sigismund, von Gottes Gnaden ernannter Bischof von Osnabrück und Verden, Probst von Halberstadt, Herzog von Braunschweig und Lüneburg hat erstmals den Auftrag gegeben, dass diese Mühle gebaut wurde im Jahr 1595, dem 4. Jahr seiner Regierungszeit."
Dieser Gedenkstein wurde 1605 von dem Bildhauer Berendt Kottmann aus Münster gefertigt - Ende August 1605 wurde der Wappenstein abgeholt.

Der Mühlen- und Stauteich wurde zeitgleich nördlich der Mühle angelegt. Dazu wurden aus den umliegenden Kirchspielen die dienstpflichtigen Bauern zu kostenlosen Hand- und Spanndiensten herangezogen. Lediglich die Verpflegung, darunter auch Bier, wurde von der bischöflichen Verwaltung zur Verfügung gestellt. So wurde den Dienstpflichtigen aus dem Kirchspiel Glane Bier für 3 Thaler, 13 Schilling und 6 Pfennig gegeben, den Bauern der Kirchspiele Hilter und Borgloh wurden "vor das Graben" 3 Tonnen Grüßing, ein würziges, statt Hopfen mit Gagelstrauch versetztes Kräuterbier, verabreicht.

Der Historiker Rainer Rottmann berichtete: "In mühseliger Handarbeit mussten Erlen und Gestrüpp gerodet und der Teich in dem feuchten Gelände ausgeschachtet werden."
Zur Mühle hin wurde ein Wall errichtet, damit das Wasser höher gestaut werden konnte. Dieser Wall wurde als "Mollendeickes Damm" ("Mühlenteichsdamm") bezeichnet. Um dem Druck des aufgestauten Wassers stand zu halten, wurden mit einer großen Ramme Eichenpfähle in den Untergrund eingebracht, der Damm mit Steinen befestigt und mit Torfsonden sorgfältig abgedichtet.

Die Wasserzuführung erfolgte über den Kolbach, dessen Quelle etwa 1,5 km nördlich von Iburg auf einer Höhe von 198 m über NN an der Südwestflanke des Dörenbergs entspringt.

Im Jahr 1596 wurden für 14 Thaler 1.220 Zuchtkarpfen aus der Senne beschafft und überwiegend in den neuen Mühlenteich eingesetzt.

In den Iburger Klosterannalen des Abtes Maurus Rost ist dazu festgehalten:
"Der Fürst, der nicht unthätig sein konnte, errichtete zum Gebrauch für seinen Hof und die Bevölkerung die sogenannte Neue Mühle und verwandelte den mit Erlen bestandenen Grund in einen Teich, damit das Wasser desselben die Mühlenräder treiben könnte. Obgleich dies dem Abt [Johann Strubbe] als Präjudiz sehr unangenehm war, und er sich darüber beklagte, so ließ er es doch, weil der Bau nothwendig erschien, aus Vernunftsgründen und auf den Rath von einigen geschehen."

Im "Manuale Monasterii Iburgensis Super Consuetudinibus eiusdem" ("Handbuch des Iburger Klosters über dessen Gewohnheiten") aus dem Jahr 1690 schrieb der Abt Maurus Rost über die klostereigenen Fischteiche: "Die Ufer und Zuflüsse bei den Fischteichen sind im Herbst sowie im beginnenden Frühjahr zu besichtigen und zu reparieren, ja sie müssen im Laufe des Jahres einige Male geprüft werden, ob genügend Wasser vorhanden ist und ob eventuell durch einen Fremden Wasser zu unerlaubten Stellen abgeleitet wird (...). Jedes Jahr ist ein Fischteich zu erneuern und von Sand bzw. Schlamm zu reinigen. (...) Es darf nicht geduldet werden , daß Hausenten in unsere Fischteiche hineinschwimmen, weil sie sowohl die Fischeier hinunterschlucken und die kleinen Fische verschlingen als auch das Gras zertreten und ausreißen." Gleiches geschah sicherlich auch bei den fürstbischöflichen Teichen.

Ab spätestens 1724 fand eine Verpachtung der Mühle statt:

Jahr: Pächter:
1724 Johann Kreeling, Melle
1736 Johann Heinrich Brune, Iburg
1741 Christian Pohlmann, Iburg
1746 "Provisor Cruse", Iburg
1763 Franz Möller, Bissendorf
1767 Johann Heinrich Sattler, Hagen
1773 Daniel Vehmeyer
Franz Vehmeyer (Sohn)

 

Schloß und Kloster sowie Flecken Iburg
Schloß und Kloster sowie Flecken Iburg,
in der unteren linken Bildhälfte der Mühlenteich (von mir koloriert) mit der Mühle,
Federzeichnung von Renier Roidkin, um 1733 - 1737

1746 und 1768 wurde die Mühle nach einer verheerenden "Wasserfluth" schwer beschädigt - 1768 wurden sogar die Staudämme vom Wasser durchbrochen.

"Carte von einigen Landesfürstlichen Dominal Grundstücken im Amte Iburg" mit der "Landesfürstlich verabpachteten Neuen Mühle"
"Carte von einigen Landesfürstlichen Dominal Grundstücken im Amte Iburg" mit der "Landesfürstlich verabpachteten Neuen Mühle",
vermessen von Georg Heinrich Hollenberg im Jahre 1796,
K = Mühlenteich, g = der runde Kamp, h = die Wiese am runden Kampe, i = der Kamp am Klostergarten,
l = die erste Wiese
NLA OS K 73 Nr. 111 H

Im Rahmen der Säkularisation gelangte die Mühle und der Mühlteich in das Eigentum der Königlichen Kloster-Kammer - diese verpachtete die Mahlmühle im Jahre 1811 an Johann Diederich Diersing aus dem Kirchspiel Ankum; dieser trat 1833 vom Pachtvertrag zurück.

1833 wurde die Mühle zu einer Korn- und Bokemühle erweitert - Pächter war ab 1833 der Branntweinbrenner Ernst Schierhölter aus Averfehrden.
Dieser schrieb 1845, dass der Mühlenteich "großen Theils zugeschlämmet" sei (NLA OS Rep 350 Nr. 1194).

Am 9. April 1856 verkaufte Schierhölter das Erbpachtrecht an den Müller Gerhard Heinrich Führmeyer aus Engter (Amt Vörden).

Neben der Korn- und Bokemühle entstand 1881 eine Sägemühle, deren erster Pächter Carl Greve wurde. Am 29. August 1894 übernahmen die Söhne Adolf und Louis Greve den Mühlbetrieb.

Benachbarte Anwohner beschwerten sich 1898, dass sie durch das Stauen "feuchte Keller" hätten (NLA OS Rep 350 Nr. 5614), obwohl bereits 1884 das "Stauziel für die Greven'schen Wassermühlen oberhalb und unterhalb des Schlosses" verbindlich festgelegt wurde.

Ab 1900 wurde die Wasserkraft nicht mehr für den Mühlenbetrieb eingesetzt.

Postkarte vom Langenberg Richtung Schloss und Kloster Iburg
Postkarte vom Langenberg Richtung Schloss und Kloster Iburg,
im Vordergrund die Mühle mit dem Mühlenteich,
Postkarte gelaufen im September 1907

Ab dem 24. November 1912 führte Adolf Greve alleinig den Sägebetrieb weiter - er fertigte Holzkisten.

Blick von Süden Richtung Mühle mit Sägewerk (rechts)
Blick von Süden Richtung Mühle mit Sägewerk (rechts),
Postkarte 1915 gelaufen

In der noch vorhandenen Mahlmühle arbeitete bis ca. 1920/21 der angestellte Müller Krampe; danach wurde die Mahlmühle geschlossen.

Mitte 1923 beantragte Adolf Greve die formelle Eintragung der Wasserrechte in das "Wasserbuch". Der beauftragte Vermessungsingenieur schrieb diesbezüglich am 17. Juli 1923:
"Das Sägewerk des Antragstellers (...) erhält sein Betriebswasser aus dem Kolbach. Dieser wird auf Parzelle Gemarkung Mäscher Flur 2, Nr. 219/38 zu einem Sammelteiche aufgestaut." Adolf Greve wurde als "Wassermüller" bezeichnet.

1928 übernahm August Schwartengräber als Pächter das Sägewerk und begann dort eine Stielfabrikation - die Produktion erfolgte mit Dampfmaschinen und kam ohne Wasserkraft aus.

Blick Richtung Nordwest auf das Sägewerk, um 1930
Blick Richtung Nordwest auf das Sägewerk, um 1930

Der Mühlen- und Stauteich verlandete immer mehr.

Spaziergang auf der verlandeten Fläche - mittig: Christian Dütting
Spaziergang auf der verlandeten Fläche - mittig: Christian Dütting,
Foto um 1921

Am 16. Juni 1932 schloss der spätere Iburger Ehrenbürger Robert Hülsemann (geb.: 16.10.1868, gest.: 05.07.1950) mit dem Mühlenbesitzer Adolf Greve einen Vertrag zur Nutzung des Teichgeländes: "Greve gestattet Hülsemann die ausschließliche Benutzung seines in der Flur Mäscher unter Artikel 23 eingetragenen Teichgeländes zur Anlage eines Stausees und Ausnutzung desselben durch gewerbsmäßigen Bootsverleih, Fischzucht und Eislauf (...)". Der Verpächter Adolf Greve behielt sich eine begrenzte Wasserentnahme vor. Hülsemann war es dagegen laut § 6 des Vertrages freigestellt, "(...) an seine Stelle den [noch zu gründenden] Kurverein Iburg treten zu lassen." Hintergrund dieser Regelung war, dass Leistungen des Freiwilligen Arbeitsdienstes nicht von Privatpersonen, sondern nur von Vereinen in Anspruch genommen werden konnten, die gemeinnützige Ziele verfolgten.
Der Freiwillige Arbeitsdienst (FAD) war ein im Jahr 1931 eingeführtes öffentlich gefördertes Beschäftigungsprogramm der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung der Weimarer Republik. Junge, arbeitslose Menschen sollten sich freiwillig in einem Arbeitslager zusammenfinden, um von hier aus für eine befristete Zeit einer Tätigkeit nachzugehen, die für die Allgemeinheit einen Nutzen stiftete und andererseits den Betroffenen das Gefühl gab gebraucht zu werden.

Am 22. Juni 1932 wurde der "Kurverein e.V. Iburg" auf Anregung von Robert Hülsemann zur Hebung des Iburger Kurbetriebs mit einem Stammkapital von 5.000,- Reichsmark gegründet - dazu wurden 100 Anteil-Darlehnsscheine zu je 50,- Reichsmark veräußert. Dem 1. Vorstand gehörten der Fabrikant Heinrich Tepe sen. (Vorsitzender), Schriftsteller Robert Hülsemann (Schriftführer), der Krankenkassenrendant Fritz Kuhnert (Kassierer), der Seilermeister Friedrich ("Fritz") Körner, der Kreissekretär Willi Beinkämpen und der Justizsekretär Fritz Knickenberg an.
Auf deren Initiative sollte der Bau eines größeren Sees als "Sommererholungsstätte für abgearbeitete Stadtbewohner" und Wassersportstätte für die Jugend geschaffen werden.

Am 25. Oktober 1932 trat der Kurverein Iburg in den oben erwähnten Vertrag zwischen Greve und Hülsemann ein (NLA OS Dep 13b, Nr. 290).

Im Juni 1932 wurde beim Landesarbeitsamt Niedersachsen in Hannover ein Antrag auf Anerkennung dieser Maßnahme gestellt und abschließend genehmigt. Der "Kurverein e.V. Iburg" wurde als "Träger des Dienstes" und "ausführende Stelle" ermächtigt 35 jugendliche Arbeitsdienstfreiwillige unter 25 Jahren einzustellen; die Arbeitszeit betrug 8 Stunden täglich, wovon eine Stunde pro Tag der geistigen und sportlichen Ertüchtigung gewidmet sein mussten - diese Aufgaben übernahmen bereitwillig einige Iburger Herren. Die Entlohnung betrug 2,- Mark pro Tag.
Die Gesamtkosten der Maßnahme wurden auf 7.900,- Mark festgestellt, wovon der Freiwillige Arbeitsdienst 2.300 Tagwerke im Betrag von 4.140,- Mark übernahm. Das Arbeitsamt Osnabrück übernahm die Überwachung der Durchführung.
Am 9. August 1932 erfolgte der erste Spatenstich. In den Folgemonaten mussten rund 10.000 m3 Erdmassen mit Schaufeln ausgehoben und in Kippwagen verladen werden. Elektrische Winden beförderten die Loren mit der Erde auf Gleisen in die Umgebung, wo sie zur Auffüllung von Sumpf- und Brachland verwendet wurden.

Arbeitsdienstfreiwillige für den "Stausee am Iburger Schloßberg"
Arbeitsdienstfreiwillige für den "Stausee am Iburger Schloßberg",
aus: Osnabrücker Tageblatt, 01.10.1932

Auf späteren Anträgen wurde die Maßnahme um 3.200 Arbeitswerke erweitert und die Gesamtkosten auf 15.000,- Mark erhöht, wovon der Freiwillige Arbeitsdienst 9.480,- Mark übernahm.
Während der Bauphase wurden 111 Arbeitsfreiwillige beschäftigt - viele während der gesamten Zeit ihrer gesetzlich auf 20 Wochen beschränkten Zulassung.
Der größte Teil der Arbeitsfreiwilligen bestand aus Ortseingesessenen, die anderen kamen aus dem Kreis Iburg. Ihrem Beruf nach setzten sie sich wie folgt zusammen:
20 Schlosser und Schmiede, 17 Zimmerleute und Tischler, 8 Maurer, 7 Bäcker, 6 Schlachter, 5 Sattler, 5 Landarbeiter, 4 Schneider, 2 Schuhmacher, 2 Handlungsgehilfen, 2 Gärtner, 2 Elektriker, 2 Klempner, 1 Maler, 1 Kalkbrenner, 1 Buchbinder, 1 Milchkontrolleur, 18 ungelernte Arbeiter, 3 Studenten und 4 Schüler.

Robert Hülsemann berichtete im "Iburger Fremdenblatt" 1933 weiter:
"Inmitten des Sees wurde eine Insel angelegt, deren Kern aus einem auf eingerammten Pfählen ruhenden Betonblock besteht, auf dem später ein Beleuchtungsturm errichtet werden soll, in dessen Sockel ein Bruthaus für das Wassergeflügel vorgesehen ist.
In der oberen Bucht wurde nach dem Plan der
[weltweit tätigen] Firma Richter & Borcherdt in Berlin eine moderne Fontäne angelegt, die das Glanzstück der Anlage bildet. 19 Strahlen sprudeln aus einem Becken empor, aus denen bei Einstellung der höchsten Leistung je Stunde 80 Kubikmeter Wasser bis zu 27 Meter Höhe emporgeschleudert werden können, und deren Kugellager-Konstruktion der Düsen es ermöglicht, die mannigfachen Wasserbilder herzustellen. Der Standort der Fontäne ist einzig. Von allen Bergeshöhen ringsum ist sie zu sehen, dabei beeinträchtigt selbst bei starkem Wind die Streuung den Bootsbetrieb auf dem See nicht. Zu Füßen der Fontäne bildet der Überlauf des Beckens rundum einen gardinenartigen Wasserfall. Dank der Kugellager-Konstruktion der Düse des Hauptstrahls kann im Winter die Eisfläche allabendlich übersprengt werden, um für den Schlittschuh- und Eissport täglich eine neue spiegelglatte Fläche zu schaffen. (...)
Als besondere Zierde wurde in der oberen Tiergartenbucht eine Gruppe besonders schöner Wasserrosen angepflanzt, zur Erinnerung daran, daß sich zur Zeit Ernst Augusts dort das "Paradies" an der Liebesinsel befand.
"
Die Seerosen stammten zum Teil aus China und wurden als Ableger importiert - es waren vier Sorten in den Farben weiß, gelb, rosa und rot.
Später wurde dieser Bereich "Seeroseneck" genannt.

Ansichtskarte aus dem Verlag Rennert, um 1942   Ansichtskarte mit dem "Seeroseneck", im Hintergrund Haus Winninghoff
Ansichtskarte aus dem Verlag Rennert, um 1942   Ansichtskarte mit dem "Seeroseneck", im Hintergrund Haus Winninghoff

Am Ende waren Baukosten i.H.v. 16.000,- Mark verzeichnet, wovon der Kurverein ein Drittel dazusteuerte; außerdem zerbrachen Hunderte Schüppenstiele.
Robert Hülsemann äußerte Ende 1933: "Dank sei vor allen Dingen auch den Beamten des Arbeitsamtes Osnabrück, die zu jeder Zeit bereitwillig und entgegenkommend mit Rat und Tat das Werk fördern halfen und den Geschäftsverkehr in angenehmster Weise vollzogen."

Am 15. Mai 1933 war der See fertig gestellt - die festliche Einweihung des Charlottensees erfolgte am Sonntag, den 18. Juni 1933.
Das Programm der Einweihungsfeier sah folgendermaßen aus:

06:00 Uhr Großes Wecken
11:00 Uhr -
12:30 Uhr
Morgenkonzert am See
ausgeführt von der Sturmbannkapelle II/78 und der Stahlhelmkapelle Osnabrück
13:00 Uhr Gemeinsames Mittagessen im Waldhotel Felsenkeller
(Gedeck 1,50 Mark. Anmeldungen tags vorher erwünscht)
15:00 Uhr Antreten zum Festmarsch
Zugordnung:
- Sturmbannkapelle II/78
- Adw.-Kompagnie mit geschulterter Schüppe
- Mitglieder des Kurvereins Iburg
- Stahlhelmkapelle Osnabrück
- Sommergäste und Wochenendbesucher
- Viel Volk
Der Zug bewegt sich durch das festlich geschmückte Iburg über die Große Straße und Lindenallee zum Festplatz am See
16:00 Uhr Festrede und Einweihungsakt (Taufe und Kanonensalut)
Darauf Rundgang über den Seesteg und Enthüllung eines Mirakels.
Rundfahrt der Mitglieder des Kurvereins.
Bootrudern und Wasserscherze für die Gäste.
18:00 Uhr Springen der großen Iburgfontäne
nachmittags Konzert am See
abends Lampionfahrten mit Feuerwerk und Vorträge des Männergesangvereins Iburg: "Das Meer erglänzte so weit hinaus" und "Still ruht der See"
Trompetensoli vom Burgberg

Festball

Tageskarten konnte man für 1,- Reichsmark, Nachmittagskarten für 0,50 Reichsmark erwerben.
Für eine evtl. Rückfahrt nach Osnabrück standen Sonderwagen der Reichspost bereit.

Eine Festrede hielt der Leiter des Arbeitsamtes Osnabrück, Dr. Kellner, der die Rede mit einem "See-Heil auf die Seestadt Iburg" beendete.
Die Taufe des Sees vollzog "Fräulein Gili Rinklake", die Tochter des Iburger Bürgermeisters Hermann Heinrich Rinklake. Nachdem die Kapelle das Flottenlied gespielt hatte, schleuderte sie mit den Worten "Charlottensee, du sollst zu allen Zeiten von Iburgs Schönheit Kunde rings verbreiten" ein Glas deutschen Sekts in den See, während von der kleinen Insel Kanonenschläge ertönten und die Fontäne ihre größte Höhe erreichte.

Zur Einweihungsfeier veröffentlichte Robert Hülsemann folgendes Gedicht:

Am Fuß der Iburg liegt ein See,
Beschattet von uralten Bäumen,
Dort lebt noch heute die Waldesfee,
Sie ladet dich ein zum Träumen.

Sie spricht zu dir: Neunhundert Jahr
Steht hoch die Burg dort oben,
In ihr ward einst eine Königin
Aus heil'ger Taufe gehoben.

Viel Gäste weilten dazumal
Dort oben im alten Schlosse.
Hell strahlten die Lüster im Rittersaal,
Laut wieherten feurige Rosse.

Und hier auf dem See, in lauer Nacht,
Da gondelten auf und nieder
Viel Edeldamen in großer Pracht
Und sangen Minnelieder.

Drum sei zu Ehren der Königin,
Die Preußen hier erstand,
Der See in fernste Zeiten hin
Charlottensee genannt.

Für den Ruderbetrieb wurden zunächst neun Boote angeschafft - vier Ruderboote, vier Paddelboote und ein Juxboot.
Die Ruderboote trugen die Namen "Philipp Sigismund" (Fürstbischof von 1591 - 1623), "Franz Wilhelm" (Fürstbischof von 1625 - 1661), "Ernst August" (Fürstbischof von 1662 - 1698) und "Maurus Rost" (Abt von 1666 - 1705). Die Paddelboote hießen "Sophie" (Gemahlin von Ernst August), "Charlotte" (Tochter von Ernst August), "Liselotte" (Pfalzgräfin) und "Leonore" (Herzogin von Celle). Das Juxboot nannten sie nach einem der Wiedertäufer "Knipperdolling".

Im Kurverein Iburg waren folgende Mitglieder mit Zuständigkeiten betraut:
Fritz Knickenberg - Boote und Bänke,
Adolf Vornbäumen - Wassergeflügel,
Heinrich Beermann - Fontäne,
Josef Winninghoff - Fische,
Wilhelm Hinze - Anlagen,
Bernhard Hunkemöller - Bootskarten,
Fritz Kuhnert - Fischfangbeauftragter,
Bernhard Hellmann - Fischfangbeauftragter.

Am 16. Juli und 20. August 1933 fanden die Wasserfeste des Kurvereins Iburg mit folgendem Programm statt:

11:00 Uhr -
12:30 Uhr
Morgenkonzert am See,
ausgeführt von der Sturmbannkapelle II/78 aus Osnabrück
15:30 Uhr Beginn der Wasserwettstreite auf dem Charlottensee
1. Buchtenfahrt für Ruderboote (1.000 m)
2. Buchtenfahrt für Paddelboote (1.000 m)
3. Schönheitsfahrten für Paddelboote (Inselfahrt)
4. Vorführung und Wettfahrten für Faltboote
5. Schulrudern für Ruderboote
6. Wasserscherze im Juxboot Knipperdolling
18:00 Uhr Springen der großen Iburgfontäne
19:00 Uhr Preisverteilung
Bei Eintritt
der Dunkelheit
Lampionreigen auf dem See, venetianische Nacht,
Konturenillumination
  Nachmittags- und Abendkonzert am See,
darauf Kurball

Die Tageskarten kosteten 0,50 Reichsmark, Inhaber von Kurkarten hatten freien Eintritt - die Tanzkarten kosteten für alle 0,50 Reichsmark.

Der "1. Petri-Fischzug", als "Schluß der Saison", folgte am 28. Oktober 1933 mit anschließendem Fischessen im Waldhotel Felsenkeller.
Dazu war zu lesen: "Es besteht die Absicht bei der feierlichen Einweihung des neu angelegten Stausees dem See den Namen Charlottensee zu geben, nach der am 24. Oktober 1668 auf der Iburg geborenen ersten preußischen Königin. Alljährlich am Geburtstage der hohen Taufpatin wird ihr zu Ehren der See ausgefischt, und damit sich alle die, die sich als Jünger Petri für den Fischfang interessieren, den Tag besser in ihr Gedächtnis einprägen können, wird der Petri-Fischzug im Charlottensee zu Iburg alljährlich am Nachmittag des letzten Oktobersonnabends vor sich gehen."
Am 4. Mai 1933 wurde der Charlottensee mit 225 zweisommerigen Karpfen und 100 ebenso alten Schleien besetzt. Durch die Fütterung - das Futter war beim Seewart zu bekommen - hoffte man nun auf 1.000 Pfund Fisch.
Und dazu war noch zu lesen: "Bessere Fische als unsere Karpfen und Schleien im Charlottensee sind undenkbar. In reinem, noch von keinen anderen Zuflüssen verunreinigtem Gebirgswasser aufgezogen, gefüttert mit Reiskleie und Maizena [ein aus Mais gewonnenes Stärkemehl], gebührt ihnen unbedingt das Prädikat "Feinkost"! Gewiß buddeln auch unsere Fische auf dem Seeboden im Schlamm, das ist ihre Bestimmung, aber es ist reiner Naturschlamm."

Die Nähe von Robert Hülsemann zur Seefahrt äußerte sich in den am See aufgestellten Fahnen: die fünf Flaggen entsprachen dem internationalen Signalwesen auf See - es waren die Signalflaggen I - B - U - R - G.

Signalflagge "I" Signalflagge "B" Signalflagge "U" Signalflagge "R" Signalflagge "G"
Signalflaggen, die in dieser Reihenfolge das Wort "Iburg" ergeben

1934 entstand ein Park am Charlottensee - mehrere Personen stifteten dafür Bäume und Bänke.
Viele erinnern sich noch an den "Baum der Liebe", unter dem eine Holzbank zum Verweilen einlud. Frühere Hochwasser hatten die dort stehenden Ulmen unterspült, wodurch eine schattige Laube entstand, dessen Umgebung der Iburger Verschönerungsverein mit Bänken versah.

"Baum der Liebe"   Mühlenrad
"Baum der Liebe",
Postkarte 1936 gelaufen
  Mühlenrad,
fotografiert am 20. März 1938 von Hans Hasekamp

Von 1948 bis zum Ende der 1960er Jahre mussten die Schüler der Niedersächsischen Heimschule Iburg morgens in der ersten großen Schulpause einmal den Charlottensee umrunden.

Ansichtskarte mit Blick von Osten - im Hintergrund das hölzerne Verkaufshäuschen   Ansichtskarte mit Blick von Nordnordwest - im Hintergrund das neu erbaute Toilettenhäuschen
Ansichtskarte mit Blick von Osten - im Hintergrund das hölzerne Verkaufshäuschen,
Postkarte gelaufen 1956
  Ansichtskarte mit Blick von Nordnordwest - im Hintergrund das neu erbaute Toilettenhäuschen,
Postkarte gelaufen 1966

In den 1960er Jahren kaufte Albert Riemann das gesamte Gelände - er baute die alte Mühle um und errichtete Anbauten für das Café und Speiserestaurant "Schloßmühle". Im Untergeschoss der Schloßmühle befand sich der "Schloßkeller" bzw. der "Benno-Keller"; vor der "Schloßmühle" befand sich einst eine kleine Kanone.

Ansichtskarte mit Blick von Osten   Kleine Kanone vor der "Schloßmühle"
Ansichtskarte mit Blick von Osten   Kleine Kanone vor der "Schloßmühle"

In einem kleinen hölzernen Häuschen vertrieben Huster-Hankers Andenken, Getränke, verkauften Bootskarten und gaben die Schläger für den Minigolfplatz heraus.
Heute befindet sich an dieser Stelle der "Charlottensee Grill Café" (Charlottenburger Ring 25).

Ansichtskarte mit Blick auf das Verkaufshäuschen, vor 1958   Iburger Andenken vor 1967
Ansichtskarte mit Blick auf das Verkaufshäuschen, vor 1958   Iburger Andenken vor 1967:
Nassklebe-Etikette der Fa. Anton Rathgeber, München

 

Blick auf die Boote   Blick auf den Minigolfplatz
Blick auf die Boote,
Ansichtskarte gelaufen 1973
  Blick auf den Minigolfplatz,
fotografiert vom Dach des ehem. Toilettenhäuschens

1970 wurde die Fußgängerbrücke über die Rennbahn (heute: Charlottenburger Ring) gebaut und "schlug eine Brücke" zwischen Charlottensee und ehemaligem Kurhausgelände.

Bau der Fußgängerbrücke 1970   Winterfreuden auf dem Charlottensee, Winter 1972/73
Bau der Fußgängerbrücke 1970   Winterfreuden auf dem Charlottensee, Winter 1972/73,
im Vordergrund der Autor auf Gleitschuhen, im Hintergrund Haus Hunke,
Foto: Albert Grebing

Im Jahr 1992 wurde eine kleine Veranstaltungsinsel im Charlottensee angelegt und der nordöstliche Bereich des Geländes neu gestaltet; die offizielle Einweihung erfolgte am 23. Mai 1992.

Für die Landesgartenschau im Jahre 2018 wurde das Gelände völlig überarbeitet und vom 18. April bis zum 14. Oktober 2018 in den Bereich der Landesgartenschau eingegliedert.

Nunmehr wird das Café und Restaurant "Schloßmühle Bad Iburg" (Charlottenburger Ring 27) von dem Gastronomen Ralf Schirmer fortgeführt.

 

Für Hinweise danke ich Rainer Rottmann, der in seinem Buch "Geschichte der Mühlen in Iburg und Glane" einen interessanten und aufschlussreichen Beitrag zur Iburger Mühlengeschichte verfasst hat.

 

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