Zeitreise(n) durch Bad Iburg

Pohlmann: "Zum Offenenholz" u. "Casablanca" - Haus Nr. 56 (heute: Osnabrücker Straße 35)

Im Jahre 1847 wurde an der Passstraße nach Osnabrück in unmittelbarer Nähe des Offenen Holzes von Familie Bentrup ein Haus gebaut; die Familie lebte vom Holzschuhmacher-Handwerk - 250 m nordnordöstlich befand sich das Anwesen von Johann Heinrich Pohlmann (geb.: 24.04.1878); heute befindet sich dort die Baumschule Bentrup.

Am 26. April 1910 heiratete Heinrich in St. Barholomäus (Wellingholzhausen) die in Wellingholzhausen am 14. Oktober 1877 geborene Maria Lütkemeyer.
Das Ehepaar bekam die nächsten Jahre drei Kinder:
- Hermann Pohlmann - er übernahm 1951 das Restaurant,
- Greteliese Pohlmann - später verheiratet mit Bernhard Ernstmann und
- Marianne Pohlmann (geb.: 05.04.1912) - später verheiratet mit Fritz Dempewolff.
Fritz Dempewolff (geb.: 20.03.1907 in Wormbach) war der Sohn des dortigen Lehrers und Ortschronisten Franz Dempewolff. Am 28. April 1936 heiratete er Marianne Pohlmann in Iburg - zu dieser Zeit war Fritz Dempewolff Förster im Forthaus Scheventorf. Kurz vor Kriegsbeginn wurde er Förster in der Försterei Altenlünne (Emsland) und blieb dort bis zu seinem Ruhestand - seine Frau Marianne verstarb am 18.11.1941 in Lingen/Ems. Dort verstarb auch Fritz Dempewolff am 27. Februar 1982; das Ehepaar hinterließ drei Kinder.

Hochzeit Marianne, geb. Pohlmann, und Fritz Dempewolff
Hochzeit Marianne, geb. Pohlmann, und Fritz Dempewolff
am 28.04.1936
Archiv: Verein für Orts- und Heimatkunde Bad Iburg e.V.

Johann Heinrich Pohlmann plante 1910 einen gastronomischen Betrieb zu eröffnen. Aufgrund der günstigeren Lage des Hauses Bentrup kam er auf die Idee die Besitzungen zu tauschen, was auch schließlich vollzogen wurde.

Bereits 1911 eröffnete Johann Heinrich Pohlmann in dem eingetauschten Haus einen kleinen Laden, in dem es nach historischen Aufzeichnungen "Sauerkraut, Heringe, Marmelade, Schmierseife, Petroleum, Rüböl [ein aus Rüben hergestelltes Speiseöl], Getreide, Zucker, Mehl und Salz" gab. Außerdem wurde selbstgebackenes Brot, Gebäck und Kuchen mit einem von den zwei Dülmener Ponys "Max" und "Moritz" gezogenen Bäckerwagen in Iburg und Umgebung verkauft.
Nicht nur die eigenen Ponys standen im Stall: auch zwei Pferde vom Hof Pohlmann in Mäscher standen dort für Schleppleistungen unter.

Ohne eine behördliche Konzession wurden in der "stilken Kneipe" (Flüsterkneipe) "in aller Stille" auch Bier und Schnaps ausgeschenkt.

1920 erhielt Johann Heinrich Pohlmann seine Schankkonzesion und eröffnete das "Restaurant "Zum Offenenholz".

Die erste Tankstelle in Iburg, bestehend aus einer Zapfsäule, wurde 1929 am Haus aufgestellt - es wurden Mineralölprodukte des deutschen Unternehmens "Deutsche Vertriebsgesellschaft für Russische Oel-Produkte A.-G.", bekannt als "DEROP", verkauft.

Postkarte aus dem Verlag Lübbert
Postkarte aus dem Verlag Lübbert

In den "Iburger Fremdenblättern" des Jahres 1930 war zu lesen:
"Schöner Garten mit Veranda unmittelbar am Buchenhochwald, durch schattige Waldwege mit den nahen Bädern verbunden. Vorzügliche Verpflegung, luftige Zimmer, Autoparkplatz und Tank. Kraftposthaltestelle."

Gewerbliche Anzeige, Jahr unbekannt
Gewerbliche Anzeige, Jahr unbekannt
aus: Knickenberg, F.: Iburg in der Geschichte und in der Natur, 3. veränderte Auflage

 

Im Jahre 1937 lautete die Telefonnummer: 164.

In der Backstube wurde Johann Heinrich Pohlmann von dem Bäcker Heinrich Pohlmann (geb.: 24.08.1905), einem Sohn des Hofes Pohlmann in der Masch, unterstützt - beide waren Cousins (siehe auch: http://www.geo-iburg.de/Hof_Pohlmann.html).

Als Heinrich an der Lungenkrankheit COPD - wohl aufgrund des vorhandenen Mehlstaubs - erkrankte, musste er seine Tätigkeit als Bäcker aufgeben - er war anschließend beim Bauunternehmen "Heinrich Möllering" in Glane beschäftigt; er verstarb im Jahr 1955.

Am 30. Januar 1939 verstarb Maria Pohlmann, geb. Lütkemeyer, in Iburg.

Kurz vor Ende des 2. Weltkriegs im Jahre 1945 musste der Verkauf sämtlicher Waren aufgrund von Nachschubschwierigkeiten eingestellt werden. Unmittelbar nach Kriegsende besetzten zudem englische Soldaten das mit einer Heizungsanlage ausgestattete Haus; zu dieser Zeit waren in Iburg acht Häuser besetzt. Neben den Schlafräumen wurde auch die Küche genutzt, um die in anderen Gebäuden einquartierten Soldaten mit Nahrung zu versorgen.

Postkarte aus dem Verlag M. Wilk, Vörden
Postkarte aus dem Verlag M. Wilk, Vörden

Im Jahre 1951 übergab Johann Heinrich Pohlmann das wieder aufgenommene Geschäft an seinen Sohn Hermann, der die Bäckerei erweiterte und eine Konditorei mit Café einrichtete.
Seine Frau Antonia, geb. Krimphoff (geb.: 17.06.1920) war später als "Oma Toni" das Gesicht des Familienunternehmens: "Hier ein Schwätzchen, dort ein Schnäpschen und zur allgemeinen Freude und Heiterkeit holte sie zwischendurch ihr Schifferklavier hervor", so erklärte einst Stefan Pohlmann.

1955 wurden die Ponys durch ein Auto ersetzt.

Todesanzeige von Heinrich Pohlmann aus dem Jahr 1955
Todesanzeige von Heinrich Pohlmann aus dem Jahr 1955

1956 hieß das neue Königspaar Hermann V. Schemme und Antonia III. Pohlmann.

1962 baute Hermann einen Teil des Gebäudes zu einer Pension um - den Kurgästen bot Pohlmann allabendlich Musik und Tanz an.

Gewerbliche Werbeanzeige, Juli 1962
Gewerbliche Werbeanzeige, Juli 1962
aus: Festschrift zum 50jährigen Jubiläum des Vereins für Leibesübungen e.V. Iburg

Das "Gasthaus zum Offenen Holz" wurde in den Unterkunftsverzeichnissen wie folgt angegeben:

Jahr: Anzahl der Betten: Einzelzimmer: Doppelzimmer: Wasser: Übernachtung mit Frühstück
pro Bett:
Richtpreis für
Vollpension:
Sonstiges:

1937

11

7

fließend 3,00 Mark   Bad, Heizung

1952

11

7

-

fließend 3,00 DM - 3,50 DM 6,00 DM u. höher Garage, Konferenzzimmer

1969

6

-

3

warm / kalt 12,50 DM 17,00 DM Bad / Duschen, Zentralheizung, Liegewiese / Terrasse,
Garage, Parkmöglichkeit

1971

8

2

3

warm / kalt 10,00 DM 18,00 DM Bad / Duschen, Zentralheizung, Liegewiese / Terrasse,
Garage, Parkmöglichkeit

 

Gewerbliche Anzeige, 1969
Gewerbliche Anzeige, 1969
aus: Unterkunftsverzeichnis Bad Iburg 1969

Im Jahre 1981 übernahmen die Söhne Robert, Hermann und Stefan Pohlmann den elterlichen Betrieb und gründeten das "Casablanca", die Kultkneipe in Bad Iburg, auch als "Wohnzimmer der Iburger Jugend" bezeichnet. Regelmäßig wurden Live-Musik und Lesungen angeboten: u.a. spielten dort (in alphabetischer Reihenfolge): C.our.Age, Allysa Grace und Band, Steve Haggerty & Band, Jahm, Jail Job Eve, Krügers Randgruppe, die sechsfache Grammypreisträgerin Alyth McCormack, Kirsty McGee, Touch of Sound, Trio, Way Out West, Willer, etc.
Auch der in Iburg aufgewachsene Schriftsteller Martin Calsow lässt den Ermittler Andreas Atlas in seinem 2016 erschienen Buch "Atlas - frei zum Abschuss" im "Casablanca" auftauchen: "In jeglicher Hinsicht wenig fahrtauglich, verließ er das Casablanca.".

Unverwechselbarer Schriftzug des "Casablanca"
Unverwechselbarer Schriftzug des "Casablanca"

Stefan Pohlmann bemerkte zur Namensgebung: "Im gleichnamigen Film [Casablanca aus dem Jahr 1942] wird gut beschrieben, dass Casablanca ein letzter Fluchtpunkt in der NS-Zeit war. Wir wollten den Leuten mit dem Casablanca auch einen Fluchtpunkt anbieten."

In den 80er Jahren begeisterte mehrfach ein Puppentheater im Saal die Kinder - als Puppenspieler wirkte Stefan Pohlmann.

Ebenfalls spielte 1981, kurz vor ihrem Bekanntwerden ein Jahr später, die Band "Trio" im "Casablanca". Mit dem Minimalismus ihrer Liedtexte und der Beschränkung auf nur zwei Instrumente begeisterten Stephan Remmler (Gesang, Keyboard), Kralle Krawinkel (E-Gitarre, Gesang) und Peter Behrens (Schlagzeug, Gesang) auch mit ihren Späßen das Publikum; nach dem Konzert wurde noch zusammen Billard gespielt.

Nikola Hotfilter sagte einmal: "Wir haben als Hippie-Kneipe angefangen und waren lange verpöhnt." Nach ihren Aussagen trauten sich ab den 90er-Jahren dann auch "normale Leute" ins "Casablanca".

1989 wurde das "Casablanca" verpachtet.

1992 ging das "Casablanca" wieder in Familienhände: Stefan Pohlmann leitete mit seiner Frau Nikola ("Niki") Hotfilter fortan den Familienbetrieb.

Ansicht des "Casablanca" auf der einstigen Homepage im Juli 2016
Ansicht des "Casablanca" auf der einstigen Homepage im Juli 2016

Das kulinarische Angebote reichte von Vorspeisen & Snacks über Salate, Exotisches, Gemüse- und Kartoffelgerichte, Pasta, Fisch und Fleisch, Pizzen sowie Desserts.

"Oma Toni" Pohlmann verstarb am 16. Dezember 2016.

Im Jahr 2017 zogen sich Stefan Pohlmann und seine Frau Nikola aus gesundheitlichen Gründen aus dem aktiven Geschäft zurück, drei Mitarbeiter führten die Kneipe weiter, darunter Hotfilters Nichte Johanna Hotfilter und Pohlmanns Neffe Leon Pohlmann.
Am Sonntag, den 31. März 2019, schloss das "Casablanca" mit einer großen Abschiedsparty und der Bielefelder Band "Touch of Sound" für immer; im Herbst 2019 wurde das Gebäude abgerissen.

Abriss im Herbst 2019
Abriss im Herbst 2019
Foto: Andreas Stoltenberg

Am 23. Januar 2020 verstarb Stefan Pohlmann - er hinterließ seine Frau Nikola und zwei Kinder.

 

Herzlichen Dank an Stefan Pohlmann (†) und Nikola Hotfilter für die in der Speisekarte abgedruckte Historie "Das Casablanca und seine Geschichte" sowie für weiterführende Hinweise an Sven Pohlmann, Bad Iburg!

 

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