Zeitreise(n) durch Bad Iburg

 

Der nachfolgende Beitrag fußt auf den Beitrag "Der Straßenräuber Johan Heinrich Stapenhorst" (S. 130 ff.) sowie weiterer Kapitel aus dem von Rainer Rottmann geschriebenen und vom Heimatverein Hagen a.T.W. im Jahre 2021 herausgegebenen Buch "Tod am Stalbrink. Vollzug der Todesstrafe im Amt Iburg 1500 bis 1817. Ein Beitrag zur Justizgeschichte des Osnabrücker Landes". Dem Autor gebührt mein herzlichster Dank für die schriftliche Genehmigung zur Verwendung von Inhalten und einzelnen Passagen!

Johann Heinrich Stapenhorst (1781 - 1817)
Holzschuhmacher und Räuber

Am 2. Januar 1781 wurde in Glane Joannes Henricus (Johann Heinrich) Stapenhorst als Sohn des Schneiders Joan Georg (Johann Georg) Stapenhorst und seiner Ehefrau Maria Elisabeth, geborene Sommer, geboren; er war der älteste Sohn von acht Kindern:
- Anna Maria (Zwilling), geboren am 31. Januar 1778 - sie verstarb nach 13 Tagen am 13. Februar 1778,
- Maria Catharina (Zwilling), geboren ebenfalls am 31. Januar 1778,
- Elisabeth Maria, geboren am 12. März 1779,
Elisabeth Maria heiratete am 21. Oktober 1896 den am 17. Dezember 1773 geborenen Eberhard Georg Jochmann aus Glane - sie verstarb an Magenkrebs am 20. Dezember 1828 in Brinkmanns Kotten in Ostenfelde.
- Johann Heinrich, geboren am 2. Januar 1781,
- Jodocus Friedrich, geboren am 19. September 1783 - er verstarb zwei Tage später am 21. September 1783,
- Maria Gertrud, geboren am 10. Mai 1785,
Maria Gertrud heiratete am 22. November 1808 den am 8. Februar 1784 geborenen Bernhard Heinrich Wiemann aus Glane - sie verstarb an Altersschwäche am 13. Dezember 1855 in Glane.
- Johann Jürgen, geboren am 29. Oktober 1787 - er verstarb im Alter von 25 Jahren am 26. Oktober 1813,
- Eberhard Jürgen Anton, geboren am 11. Oktober 1790 - er verstarb mit fünf Monaten am 5. April 1791.

Das Elternhaus befand sich im "Dorf Glane, No. 6" (heutige Lage: Westteil Kirchstraße 5).

Johann Heinrich Stapenhorst wurde auch als "Surenbrock sive [genannt] Stapenhorst" oder auch nur als "Surenbrock" bezeichnet - was ist die Erklärung dafür?
Bereits 1541 und 1543 war in Iburg ein "Toennes Surenbrock" als Dachdecker und Steinhauer tätig. Sein Sohn betrieb im Jahre 1568 vor dem Mühlentor in Iburg eine Gastwirtschaft mit Herberge - dort kehrte auch immer wieder der Scharfrichter ein, wenn er beruflich in Iburg tätig war.
Im Jahre 1589 war Jürgen Surenbrock Iburger Einwohner und konzessionierter Wirt. Sein Sohn Johan Surenbrock, auch "Surenbroik" geschrieben, (geboren um 1610, gestorben am 22. April 1661 in Iburg), ebenfalls Wirt, hatte im Flecken Iburg um 1660 das Amt des "Consuls" (Bürgermeister) inne.
Aus der mit Margaretha Stolte geschlossen Ehe gingen zwei Kinder, Anna Sophia und Johannes Henricus, hervor.

Seine Tochter Anna Sophia, geboren im Mai 1652, heiratete am 12. November 1680 in Iburg den 1655 in Exterheide (heutiger Stadtteil von Lengerich) geborenen Jodocus Henricus Stapenhorst. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor:
- Joannes Henricus, getauft am 14. September 1681 in Iburg,
- Joannes Fridericus, getauft am 26. Dezember 1684 in Iburg.
Beide Söhne führten neben dem offiziellen Familiennamen Stapenhorst auch den Beinamen "Surenbrock".

Der Sohn Joannes Henricus (geb.: 1681) zog später von Iburg nach Glane, wo er am 11. Juni 1743 verstarb.

Dessen Sohn Johann Georg Stapenhorst und seine Ehefrau Maria Elisabeth, geborene Sommer, hatten acht Kinder, darunter Johann Heinrich Stapenhorst.

Johann Heinrich Stapenhorst wurde am 2. Januar 1781 in Glane geboren und ebenfalls "Surenbrock sive Stapenhorst" genannt.

Die letzten Träger des Familiennamens Stapenhorst in Glane wanderten 1862 nach Amerika aus - es waren Hermann Joseph Stapenhorst (geb.: 1803) mit seiner Ehefrau Maria Catharina Gertrud, geborene Schriever, und seinen vier Kindern sowie die sieben Kinder seines verstorbenen Bruders Johann Heinrich Stapenhorst.

Der ätere Sohn von Jodocus Henricus Stapenhorst (geb. 1655), Joannes Henricus Stapenhorst (geb. 1653), war der Vater von Joannes Wilhelmus Stapenhorst (getauft am 30. März 1721). Dessen Sohn Frans Wilhelm (getauft am 6. Oktober 1755) war ebenfalls Gastwirt, Bäcker, langjähriger Bürgermeister und bis zu seinem Tod Armenprovisor in Iburg.
Dessen Sohn Lucas Henricus Franciscus (getauft am 3. August 1786) war ebenfalls Gastwirt und von 1837 bis 1848 Bürgermeister in Iburg - dessen Sohn Mathias Ludovicus, geboren am 23. April 1812, setzte die Tradition als Gastwirt fort, der Bruder Josephus Benedictus, geboren am 21. Februar 1815, wurde Lohgerber und gründete später die Gerberei Stapenhorst.

1911 erhielt sein ältester Sohn, der Lohgerber Lucas Josef Stapenhorst (geb.: 09.01.1852), verheiratet mit Clara Feldhaus, eine Konzession für die Elektrizitätsversorgung und gründete das "Elektrizitätswerk Iburg" - im Zuge der Zwangsbewirtschaftungsmaßnahmen des NS-Staates wurde das von Clemens Stapenhorst (geb.: 04.06.1894, gest.: 04.03.1977) fortgeführte Elektrizitätswerk 1942 auf den Flecken Iburg übertragen.

Das "Hotel Stapenhorst" und die anliegende Gaststätte "Winkelstübchen" schlossen im September 1988 die Pforten - die "Gerberei Clemens Stapenhorst", späterer Inhaber war Günter Konersmann, wurde am 1. Juli 1993 wegen Vermögenslosigkeit gelöscht.

Die Gastwirtschaft befand sich auf dem heutigen Grundstück Münsterstraße 2 (einst: Bahnhofstraße 115), die Gerberei befand sich auf dem heutigen Grundstück Große Straße 45 (einst: Große Straße 111).

Auswahl familiärer Beziehungen

Auswahl familiärer Beziehungen

Den Schulunterricht erhielt Johann Heinrich bei dem Küster von Glane und er erlernte später bei Johann Mathias Broxtermann in Sentrup das Holzschuhmacher-Handwerk.

Am 9. Juni 1801 heiratete er in Glane die um 1767 geborene Maria Catharina Specht aus Glandorf. Anlässlich dieser Heirat kam es zu einer Erbauseinandersetzung mit seinen Geschwistern und er übernahm das elterliche Haus "Glane Nr. 6" nebst Ländereien.

In den Folgejahren ernährte er seine Familie vom Holzschuhmacher-Handwerk und vom Zuckerrübenanbau; nebenher betätigte er sich als Kuchenbäcker und spielte auf Hochzeiten mit der Violine auf - es waren jedoch karge Einnahmen.

Am 20. Oktober 1806 wurde das Amt Iburg durch Franzosen besetzt - dies führte am 11. August 1807 zum Department des Königreichs Westfalen mit dem Kanton Iburg (Distrikt Osnabrück) und ab dem 1. März 1811 zum Kaiserreich Frankreich mit dem Kanton Iburg (Arrondissement Osnabrück).

Durch die neue Grenze zwischen dem Kaiserreich Frankreich und dem Königreich Westphalen, welche der heutigen Grenze im Bereich von Bad Iburg zwischen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen entsprach, bot sich angesichts der durch Kriegsereignisse und Kontinentalsperre ergebenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten der große Anreiz, sich durch sog. "Schleichhandel" mit ausländischem Salz und Tabak ein Zubrot zu verdienen; am 22. Juni 1811 wurde die Salzregie, am 17. Dezember 1811 die Tabakregie eingeführt.

Zwischen dem Kaiserreich Frankreich und dem Königreich Westfalen blühte der Schmuggel - so existierte auch ein Schmugglerpfad vom Urberg in Iburg nach Hagen a.T.W.

Zumindest nach 1811 beteiligte sich auch Johann Heinrich Stapenhorst am Schmuggel mit Tabak. Dazu ist in den Gerichtsakten zu lesen, er habe "... bis zur französischen Occupation einen durchaus unbescholtenen Lebenswandel geführt. Während der Occupation hatte er mit vielen anderen an der Grenze wohnenden geringen Unterthanen das Unglück zu Tabacks-Defrauden [Tabagschmuggel] gebraucht und in den in allen französischen Grenzprovinzen üblichen Douanenkrieg [Zollkrieg] verwickelt zu werden. Er geriet dadurch in einen Zustand der Verwilderung."

Stapenhorst war Mitglied einer mehrköpfigen Diebes- und Räuberbande - zu dieser gehörten:
( 1) Johann Heinrich Stapenhorst,
( 2) Heinrich Georg Jochmann, geboren am 5. Juni 1779,
Heinrich Georg Jochmann war Zimmermann in Glane und seit dem 24. Juni 1801 mit Elisabetha Niermann (geb.: um 1768) verheiratet - das Ehepaar hatte fünf Kinder.
( 3) Johann Heinrich Jochmann, geboren am 7. März 1775,
Johann Heinrich Jochmann war der Bruder von Heinrich Georg - er war seit dem 2. Oktober 1796 mit Maria Engel Brockmeyer (getauft: 24.01.1775) verheiratet - das Ehepaar hatte sechs Söhne. Johann Heinrich Jochmann verstarb um 1813.
( 4) Eberhard Georg Jochmann aus Glane, geboren am 17. Dezember 1773,
Eberhard Jochmann war seit dem 21. Oktober 1806 mit Elisabeth Maria Stapenhorst (geb.: 12.03.1779 in Glane) verheiratet - er verstarb am 8. März 1815 in Ostenfelde.
( 5) Friedrich August Nonnemann aus Glane,
( 6) Georg Heinrich Glosemeyer aus Ostenfelde, getauft am 5. Juli 1780 in Glane,
Georg Heinrich Glosemeyer war seit dem 11. Juni 1807 mit Maria Catharina Brockmeyer (geb.: 21.12.1785) verheiratet - das Ehepaar hatte drei Söhne. Georg Heinrich Glosemeyer verstarb am 16. Juli 1813 im Markkotten Glosemeyer in Ostenfelde.
( 7) Hermann Heinrich Kemnah aus Glane, getauft am 5. September 1781,
Die Nachfahren der Familie Kemnah wanderten am 13. Juli 1859 nach New York aus.
( 8) Bernhard Heinrich Wiemann, geboren am 8. Februar 1784,
Bernhard Heinrich Wiemann war Schuster und Wirt in Glane; er war seit dem 22. November 1808 mit Maria Gertrud Stapenhorst (geb.: 10.05.1785 in Glane) verheiratet - das Ehepaar hatte zehn Kinder.
( 9) Hermann Heinrich Eickholt, geboren 1787 in Glane,
Hermann Heinrich Eickholt war Bauernknecht in Glane.
(10) Johann Heinrich Unland, geboren 1789 in Glane.
Johann Heinrich Unland war ein Zimmergeselle und Bauernknecht aus Visbeck - er war mit Elisabetha Niermann, der Witwe des zwischenzeitlich verstorbenen Johann Heinrich Jochmann, verheiratet.

Folgende Taten konnten Johann Heinrich Stapenhorst und seinen Bandenmitgliedern nachgewiesen werden:

10. November 1812
Der Hagener Kaufmann Franz Heinrich Wilhelm Möller (geb.: 15.09.1776) wollte am 10. November 1812 seine bei dem Ostenfelder Markkötter Georg Heinrich Glosemeyer (6) lagernde Fracht Tabak mit einem Pferdefuhrwerk von Ostenfelde nach Brochterbeck (heute: Ortsteil von Tecklenburg) bringen - dafür hatte Kaufmann Möller den Markkötter Glosemeyer als Fuhrmann nebst Gespann engagiert. Es ist zu vermusten, dass Franz Möller den Tabak schmuggeln wollte!
Wenige Stunden vor der Abfahrt erschien Johann Heinrich Stapenhorst (1) bei Glosemeyer und erkundigte sich nach der Abfahrtszeit des Gespanns - anschließend informierte er seine Komplizen in Glane.

Der Wagen mit dem Tabak fuhr gegen 22:00 Uhr bei Glosemeyer los. Neben Glosemeyer als Fuhrmann saßen noch der Kaufmann Fanz Möller und der Knecht Hehemann auf dem Wagen.

Anstatt auf der Landstraße westwärts über Lienen und Lengerich bis nach Brochterbeck zu fahren, lenkte Glosemeyer den Wagen nach kurzer Zeit in die nördlich gelegenen Lienener Berge.

Unterdessen hatten sich einige der Banditen in Ostenfelde am Schlagbaum "Hülsebrocker Klues" (heutiger Standort: Lienener Straße 30) getroffen und dann verabredungsgemäß mit den restlichen Mittätern am Kahlen Berg versteckt. Johann Heinrich Stapenhorst und Friedrich August Nonnemann (5) hatten sich mit "blauen Röcken" verkleidet und jeder eine Flinte mit Seitengewehr (Bajonett) dabei.

Als das Fuhrwerk mit dem Tabak in einer Schlucht des Lienener Berges unterwegs war, sprangen Stapenhorst und Nonnemann aus dem Gebüsch, schossen ihre Flinten ab und riefen auf Französisch "Qui arrive?" ("Wer kommt da?"). Mit weiteren französischen Schelt- und Schimpfworten versuchten sie den Eindruck zu erwecken französische Zollbeamte zu sein.

Der Fuhrmann Georg Heinrich Glosemeyer sprang daraufhin vom Wagen, schirrte eines der zwei Pferde aus und ritt davon.
Der Kaufmann Franz Möller sprang ebenfalls vom Wagen und versteckte sich im Gebüsch.

In der "Mondeshelle" (Halbmond) sah der Kaufmann Möller, wie die Räuber den Tabak vom Wagen nahmen und wegtrugen. Unter ihnen erkannte er Georg Jochmann und Johann Heinrich Stapenhorst, der einen blauen Rock trug.

Später konnten als weitere Tatbeteiligte als Haupttäter Johann Heinrich Jochmann (3) sowie als Gehilfen Friedrich August Nonnemann (5), Georg Glosemeyer (6), Bernhard Heinrich Wiemann (8) und Hermann Heinrich Eickholt (9) festgestellt werden.

Als die Räuber verschwunden waren, bestieg Franz Möller das zurückgelassene Pferd und ritt eiligst zu seinem in Hagen wohnenden Schwager Glasmeyer.

Noch in der Nacht des Raubes teilte sich die Räuberbande auf.

Zwei der Räuber, darunter Stapenhorst, verkauften einen Teil des geraubten Tabaks an den Bauern Alteridder in Holperdorp (heutiger Standort: Holperdorp 10), dem sie schon mehrfach Diebesware verkauft hatten, und an den Kaufmann Eberhard Hölscher in Lienen (heutiger Standort: Warendorfer Weg 24).

Zwei weitere Räuber, darunter Georg Jochmann, flüchteten über die Grenze nach Hagen a.T.W. Dort boten sie noch in der Nacht des Raubes dem Bauern Wüller (heutiger Standort: Zum Schoppenbrink 9) in der Bauerschaft Mentrup den Verkauf des Tabaks für mehr als 100 Taler an, was Wüller aber ablehnte.

Am frühen Morgen nach dem Raub begab sich Kaufmann Möller auf eigene Faust nach Lienen und erfuhr, dass Alteridder und Hölscher in der Nacht Tabak angekauft hatten. Beide bestätigten auf Nachfrage, dass "(...) keine wirklichen Douanen den Überfall gethan (...)" hätten, sondern dass Stapenhorst, Jochmann und andere " (...) als fälschliche Douanen-Beamte [französische Zollbeamte] auf Beute ausgewesen (...)" seien.
Möller erhielt 250 Pfund Tabak im Wert von 50 Reichstalern von Alteridder widerspruchslos zurück - ursprünglich soll der geraubte Tabak über 800 Pfund gewogen und einen Wert von 160 Reichstaler gehabt haben.
Der geschädigte Kaufmann Möller erstattete wegen des verübten Straßenraubs keine Anzeige.

In der Nacht vom 17. auf den 18. November 1812 erschienen zwei der Räuber bei dem direkt an der Zollgrenze wohnenden Markkötter Johann Heinrich Abkemeyer in der Hagener Bauerschaft Mentrup und verkauften diesem " (...) hundert Pfund conterbandierten [geschmuggelten] Tabak auf Credit".

Am nächsten Tag wurde jedoch "(...) eine Quantität Tabak von dem französischen Steuer-Officianten bey Abkemeyer in Beschlag genommen".
Die Räuber, die von dieser Aktion erfuhren, waren nun besorgt, dass es der von ihnen auf Kredit verkaufte Tabak gewesen sei. Sie begaben sich daher " (...) am Abend desselben Tages wieder nach Abkemeyer, um über ihren Tabak Erkundigung einzuziehen". Sie erfuhren, dass ihr Tabak bei der Zollrazzia verborgen geblieben sei.
Ein Teil dieses Tabaks wurde daraufhin noch am selben Abend im Beisein der Räuber an verschiedene Kaufleute verkauft. Nur ein Rest von 83 Pfund, der nicht verkauft werden konnte, wurde in einem Loch bei Abkemeyer vergraben.
Abkemeyer schien, nach Auskunft der späteren Strafakten, in größerem Stil in den Tabakschmuggel eingebunden zu sein.

Als die Räuber kurze Zeit später den Rest holen wollten, war das Erdversteck leer.
Sie verdächtigten den Knecht von Abkemeyer, Wilhelm Gieselbrecht, sich den Tabak angeeignet zu haben.

Um den 21. November 1812

Als der Bauer Abkemeyer des Nachts nicht zu Hause war, drangen die Räuber in dessen Haus ein und ergriffen den Knecht Gieselbrecht. Dieser wurde mit einem Stock " (...) auf den Kopf und Arm blutrüstig in der Maßen geschlagen, sodaß derselbe über fünf Wochen zur Arbeit untauglich geworden."
Gleichzeitig entwendeten die Räuber, darunter auch Johann Heinrich Stapenhorst, 75 Ellen (= 43,8 m) Leinwand.

Während der Gewaltanwendung hatte der Knecht Gieselbrecht gestanden, dass " (...) der gesuchte Tabak bey dem Colono Gibbemeyer sich befinde." Die Räuber begaben sich sofort mit dem Knecht zu dem Gastwirt Gibbemeyer im Dorf Hagen, der ihnen den Tabak ohne Widerspruch überließ - auch Gibbemeyer war also wohl bewusst, dass es sich um illegale Ware handelte.

Bauer Johann Heinrich Abkemeyer erstattete am 24. November 1812 Strafanzeige wegen des nächtlichen Überfalls auf seinem Hof - die Ermittlungen verliefen jedoch schleppend und erst im Februar 1813 wurden einige Zeugen der Vorfälle verhört.
Aufgrund zahlreicher kriegerischer Auseinandersetzungen des französischen Heeres wurde die Strafverfolgung nicht fortgeführt.

17./18. Mai 1813

In der Nacht vom 17. auf den 18. Mai 1814 verübten Johann Heinrich Stapenhorst (1), Heinrich Georg Jochmann (2) und Johann Heinrich Unland (10) einen Einbruchsdiebstahl auf dem Hof des Bauern Peterwerth in der Bauerschaft Visbeck, Kirchspiel Glane.

Johann Heinrich Peterwerth, der Sohn des Bauern, gab zunächst zu Protokoll, man habe ihm eine silberne Taschenuhr, Kleidung und 15 Holländische Gulden entwendet - auf späteren Vorhalt gab er zu, es seien doch nur 3 Holländische Guldet entwendet worden.

Nachdem man längere Zeit vergebens veresucht hatte die Täter des Einbruchsdiebstahls zu ermitteln, ergab sich später aus einer Aussage des inhaftierten Visbecker Bauern Große Hartlage (heute: Hartlager Weg 7), dass Georg Heinrich Stapenhorst, Heinrich Georg Jochmann und Hermann Heinrich Kemnah den Diebstahl verübt hatten.
Große Hartlage stand im Verdacht an der Ermordung des Iburger Gerichtsboten Hoenemann beteiligt gewesen zu sein.

Am 09. November 1813 wurde aus dem Kaiserreich Frankreich das Königreich Hannover als Nachfolgestaat des Kurfürstentums Braunschweig-Lüneburg.

 

Am 2. Mai 1814 wurde unter Beseitigung der französischen Gerichtsorganisation als zweitinstanzliches Gericht die "Königlich-Großbritannische Churfürstlich-Braunschweig-Lüneburgische Justiz-Canzlei des Fürstenthums Osnabrück" gebildet. Das Kanzleigebäude der Fürstbischöflichen Kanzlei befand sich an der Hasestraße (heute: Hasestraße 40A).

Einstige Fürstbischöfliche Kanzlei - später Bischöfliche Kanzlei, Hasestraße

Einstige Fürstbischöfliche Kanzlei - später Bischöfliche Kanzlei, Hasestraße
Fotograf: unbekannt, Verlagsarchiv Meinders & Elstermann, Osnabrück (1964)

Die Justiz-Kanzlei wurde durch das Gerichtsverfassungsgesetz vom 8. November 1850 aufgehoben - bis zur Errichtung der Obergerichte führte die Justiz-Kanzlei die Geschäfte bis zum Jahre 1852 weiter.


Vorab wurde im November 1813 aus dem Gogericht Iburg das Amt Iburg und die Trennung von Justiz und Verwaltung aufgehoben.
Dem Amt Iburg gehörten die Kirschspiele Borgloh, Dissen, Glandorf, Glane, Hagen a.T.W., Hilter, Laer und Oesede sowie der Flecken Iburg an.

Vor November 1813 befand sich der Gerichtsplatz des (früheren) Gogerichts Iburg vor bzw. unter den sieben Gerichtslinden vor dem Iburger Schlosstor.
Der Gograf, der den Vorsitz des Gogerichts führte, hatte (später) im Schloss im südlichen Teil des Zwischenflügels Diensträume.
Letzter Gograf des Amtes Iburg seit 1780 war Dr. jur. Franz Carl Kramer (geb.: 08.10.1749, gest.: 25.09.1812), Erbauer des um 1792 errichteten Gografenhofes als Familienwohnung.

Aufnahme des Richtplatzes "unter den sieben Gerichtslinden" auf einer Ansichtskarte des Jahres 1929

Aufnahme des Richtplatzes "unter den sieben Gerichtslinden" auf einer Ansichtskarte
des Jahres 1929

Die in Ostenfelde befindliche Richtstätte "In der Vossheide" (heutiger Standort: ca. 170 m südwestlich des Gebäudes "Bruchweg 5" bzw. südlich der Straße "Alter Postdamm", ca. 500 m östlich von der Landesgrenze Niedersachsen - Nordrhein-Westflalen entfernt) wurde bereits 1477 urkundlich erwähnt - letzte Hinrichtungen fanden wahrscheinlich noch nach 1615 statt.
Die Richtstätte "auf dem Mersch" (auch: "auffm Lütken Mersch") in Ostenfelde (heutiger Standort: ca. 300 m nordöstlich "Lienener Straße 22" in unmittelbarer Nähe der Straße "Auf der Landwehr) wurde 1587 urkundlich erwähnt - eine letzte Hinrichtung soll dort im Herbst 1699 erfolgt sein.

Die Scharfrichter sowie die Henkersknechte logierten dabei häufig "in Surenbruchs Hause" [Surenbrock] in Iburg - dem späteren Hotel und Gasthaus "Stapenhorst".

15./16. Juni 1814

In der Nacht vom 15. auf den 16. Juni 1814 begingen Johann Heinrich Stapenhorst (1) und Heinrich Georg Jochmann (2) einen weiteren Einbruchsdiebstahl auf dem Hof Waltermann in Ostenfelde und bestahlen dort den dortigen Knecht Franz Buschmeyer.

 

Kurz danach wurden die Bandenmitglieder verhaftet und in die Kerkerzellen des Bergfrieds der Iburg gebracht.

Bergfried auf einer Ansichtskarte, gelaufen 1905
Bergfried auf einer Ansichtskarte, gelaufen 1905
Der Eingang zu den Arrestzellen befand sich auf der
linken Seite unter dem rechten Torbogen.

In der Nacht vom 21. auf den 22. September 1814 gelang jedoch Johann Heinrich Stapenhorst, Heinrich Georg Jochmann und Hermann Heinrich Kemnah die Flucht aus dem Gefängnis.
Sie tauchten unter und fanden bei dem Bauern Große Hartlage und dessen Ehefrau in der Glaner Bauerschaft Visbeck Unterschlupf.

25./26. September 1814

Bauer Große Hartlage gab den drei Flüchtigen den Tipp den alten Bredeck in Sentrup (heutige Lage: Im Broke 6) zu bestehlen, da er ein vermögender Mann sei; die Beute wollte Große Hartlage verstecken.

In der Nacht vom 25. auf den 26. September 1814 brachen die drei Bandenmitglieder in das Haus des alten Bredeck ein, überwältigten und fesselten den alten Mann. Bredeck rief: "Nehmt alles, laßet mir nur das Leben!" Die Täter brachen Truhen und Schränke auf - sie entwendeten u.a. " (...) eine silberne zweyhäusige Taschenuhr mit stählerner Uhrkette, ferner Leinwand und Kleidungsstücke."

03./04. Oktober 1814

In der Nacht vom 3. auf den 4. Oktober 1814 drangen Stapenhorst und seine zwei Komplizen in das Haus des Heuerlings und Pferdehändlers Caspar Kraemer in der Bauerschaft Sudendorf, Kirchspiel Glandorf, ein und entwendeten Kleidung und Hausrat im Wert von etwa 200 Talern.
Den Anreiz zu dieser Tat erhielten sie von " (...) dem Halbmeister [Abdecker] [Georg Heinrich] Eschmeier zu Sassenberg (...)".
Georg Heinrich Eschmeier wurde im August 1852 wegen schwerem Diebstahls zu 3 1/2 Jahre Zuchthaus verurteilt und anschließend für 3 1/2 Jahre unter Polizei-Aufsicht gestellt.

Eschmeier hatte ihnen den " (...) Pferdehändler Kraemer als einen Menschen geschildert, von welchem etwas zu holen sey, und ihnen geraten, den Diebstahl am Füchtorfer Markttage zu verüben, weil Kraemer gewiß betrunken vom Markte nach Hause komme."

Wie vorhergesagt war Kremer betrunken und hatte " (...) eine Geldkatze mit 80 Talern an dem Leib gehabt."
Eine Geldkatze ist ein am Gürtel befestigter Geldbeutel zur Aufbewahrung von Münzgeld.

24./25. Oktober 1814

In der Nacht vom 24. auf den 25. Oktober 1814 stahlen Johann Heinrich Stapenhorst (1) und Hermann Heinrich Kemnah (7) von der Weide des Bauern Radebrock in Hankenberge drei Schafe. Die Schafe wurden noch in der Nacht geschlachtet, ausgeweidet und das Fleisch zu dem Bauern Große Hartlage in Visbeck gebracht, wo es nach und nach verzehrt wurde.

 

Ende Oktober 1814 gelang den Behörden die Wiederergreifung der drei entflohenen Verbrecher Stapenhorst, Jochmann und Kemnah. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wurde wieder aufgenommen und um den von den Räubern zwischenzeitlich begangenen Straftaten erweitert.

Bevor jedoch " (...) die schon vorgefertigte rechtliche Entscheidung (...)" verkündet wereden konnte, gelang den beschuldigten Johann Heinrich Stapenhorst und Hermann Heinrich Kemnah in der Nacht vom 10. auf den 11. April 1815 die Flucht aus dem Iburger Kerker.

Stapenhorst galt nun als " (...) der gefährlichste und strafbarste Verbrecher (...)" und wurde " (...) vermittelst einer ausgelobten Prämie (...)" gesucht.

Steckbrief zu Johann Heinrich Stapenhorst und Hermann Heinrich Kemnah, unterzeichnet von Goesen ("Criminal-Director") und Woldering ("1. Registrator")
Steckbrief zu Johann Heinrich Stapenhorst und Hermann Heinrich Kemnah, unterzeichnet von Goesen ("Criminal-Director") und Woldering ("1. Registrator")
Quelle: Münsterisches Intelligenzblatt, Nro. 38, Freytag den 12. May 1815 (S. 420)

Gemäß der "Provisorischen Instruktion für das Inquisitoriat zu Münster" vom 25. April 1815 war das Inquisitoriat zur Führung der Untersuchungen über alles diejenigen gesetzlich strafbaren Handlungen verpflichtet, die als Kriminalverbrechen betrachtet wurden (§ 1).

Aus dem angehängten Signalement erhalten wir folgende Personenbeschreibung:

Johann Heinrich Stapenhorst sive Surenbrock, 34 - 36 Jahr alt, ist kleiner untergesetzter Statur, hat ein breites Gesicht mit Sommerflecken und Blatternarben, hellfuchsiges Kopfhaar, und starken langen etwas dunkelen Bart, besonders unterm Kinn, etwas rothe Augen. Er trug bey seiner Entweichung einen runden Huth, ein kurzes dunkelblaues Collet, eine schwarze Weste von sogenannten Felp, eine lange leinerne hell- und dunkelblau gestreifte Hose und Schuhe.

Hermann Heinrich Kemnah, ohngefehr 24 - 25 Jahr alt, ist von kleiner schwächlicher Statur, hat ein schwarzes langes Gesicht mit Sommerflecken und Blatternarben, gelbrothes Haar und Bart, spitze Nase und Kinn, gesunde rötliche Gesichtsfarbe und auswärts gebogene Knie, trug bey seiner Entweichung gleichfalls einen runden Huth, einen Frackrock von grau brauner Farbe, eine chamot Weste mit dunkelbraunen und kleinen gelblichen Streifen, eine lange grau gestreifte casimir Hose mit gelben Flecken an Knie und spitze Schuhe.

Nach dem zweiten Ausbruch hielt sich Stapenhorst zunächst mehrere Monate mit Straftaten zurück.

 

01./02. September 1815

In der Nacht vom 1. auf den 2. September 1815 beging Johann Heinrich Stapenhorst einen Einbruchsdiebstahl bei dem Kötter Jacob Hackmann in Glane.

15./16. Oktober 1815

In der Nacht vom 15. auf den 16. Oktober 1815 beging Stapenhorst einen Einbruchsdiebstahl bei Heinrich Peters in Aschendorf.

19./20. Oktober 1815

In der Nacht vom 19. auf den 20. Oktober 1815 beging Stapenhorst einen Einbruchsdiebstahl bei dem Kötter Heinrich Koch in Glane.

Bei fünf weiteren zur Untersuchung gebrachten Einbruchsdiebstählen aus dem Jahr 1815 konnte " (...) nicht nur rechtlichen Gewißheit gebracht (...)" werden, dass Stapenhorst der Täter war.
So wurden in der Nacht vom 16. auf den 17. November 1815 dem Ackersmann Suabaum zu Visbeck bei einem Einbruch nachstehende Gegenstände entwendet:
- ein Mannsrock von hellblauem Tuche mit kamelharn Knöpfen,
- ein dito von gleicher Farbe und ähnlichen Knöpfen, in welchen letztern aber mitten ein sogenannter Spiegel von weißlicher Seide im Viereck sich befindet,
- ein fast neuer Frauenrock von rother Boye,
- ein dito von rothem Futter,
- ein blauer dito von Sarge,
- ein dito von gelber Sarge,
- ein dito von grüner Sarge,
- ein ebenfalls von Sarge und gelb blaulich spielend,
- ein dunkelblaues Frauenkamisol mit langen Aermeln,
- ein dito von Kattun mit rothen und weissen Blumen,
- ein dito von Kattun mit gelben Blumen und kurzen Aermeln,
- zwey dito von violettem Tuche mit langen Aermeln,
- ein dito von gleicher Beschaffenheit und Farbe,
- ein dito von schwarzem Tuch,
- 10 Manns- und 10 Frauen-Hemde,
- 2 Frauen-Mützen von grün und blauem Grunde mit rothen Blumen und oben wie auch der Rand mit Gold besetzt,
- eine dito von weißlichem Grunde und weißlichen blauen Blumen mit Silber besetzt,
- eine dito von schwarzem Sammet mit Kanten besetzt,
- eine dito von schwarzer Seide mit Silber durchwirkt und mit Silber besetzt,
- mehrere Frauen Untermützen von feiner Leinewand mit Kanten und Spitzen,
- zwey Rollen grau Leinen jede von 17 Ellen,
- etwa 14 Ellen feine flächsen Leinewand,
- ein Stück flächsen Leinewand von 17 Ellen,
- ein seiden Frauen Halstuch von schwarzem Grunde mit weiß und blauem Rande,
- ein dito von rothem Grunde mit einem Rande,
- ein Paar weisse dito.
- ein Paar schwarze mit weissen Blumen,
- 2 Frauenschürzen, wovon die eine von blauer Leinew., die andre von schwarz Tamis,
- 2 dito von Kattun, wovon die eine weiß mit rothen, die andre mit schwarzen Streifen,
- eine dito gedruckte von schwarzem Grunde mit weissen Blumen,
- 3 weisse Frauen Halstücher,
- 1 1/2 Elle dunkel grau Tuch,
- ein schwarz tuchener Frauen-Rock,
- zwey Bettücher,
- ein silbernes Kreuz,
- ein silberner Ring mit den Buchstaben E.G.L.W.

Weiter hieß es im Rahmen der Diebstahlsmeldung:
"Da indeß das Kön. Amt Iburg davon benachrichtigt ist, daß zwey dort entsprungene Gefangene Namens Stapenhorst s. [sive = genannt] Surenbrock und Kemnach sich noch immer in den benachbarten Grenz-Orten umhertreiben, und die gegründete Vermuthung hegt, daß diese die Urheber von den vielen Diebstählen seyen, welche seit einiger Zeit vorzüglich an den Grenzen so sehr zugenaommen haben, (...)."

 

Nachdem die beiden Täter Ende 1815 immer noch flüchtig waren, wurde durch das Königlich Preußische Inquisitoriat am 4. Dezember 1815 eine Belohnung i.H.v. 50 Reichstaler ausgelobt.

 

Am 10. Dezember 1815 wurde der überregional zur Fahndung ausgeschriebene Johann Heinrich Stapenhorst in Versmold (Königreich Preußen) verhaftet und inhaftiert.
Am 29. Februar 1816 wurde er dann von Preußen aufgrund eines Auslieferungsersuchens des Königreichs Hannover nach Iburg ausgeliefert, wo das unterbrochene Gerichts- und Ermittlungsverfahren gegen ihn fortgesetzt wurde.

 

Das abgetrennte Gerichtsverfahren gegen die anderen Bandenmitglieder wurde im April 1816 durch entsprechende Urteile zum Abschluss gebracht:
- Heinrich
Georg Jochmann (2) wurde zeitlebens zum sogenannten "Karrendienst" in der Strafanstalt Nienburg/Weser verurteilt,
- Bernhard Heinrich Wiemann (8) erhielt eine sechsmonatige Freiheitsstrafe mit Zwangsarbeit in der Strafanstalt Nienburg/Weser,
- Hermann Heinrich Eickholt (9) erhielt ebenfalls eine sechsmonatige Freiheitsstrafe mit Zwangsarbeit in der Strafanstalt Nienburg/Weser,
- Johann Heinrich Unland (10) erhielt eine einjhährige Freiheitsstrafe mit Zwangsarbeit in der Strafanstalt Nienburg/Weser.

Die Strafanstalt Nienburg befand sich am heutigen Schloßplatz in Nienburg/Weser (heute: Schloßplatz 2).

 

In seinem eigenen Strafverfahren legte Johann Heinrich Stapenhorst ein umfassendes Geständnis ab, wies aber auch darauf hin, dass " (...) der während des französischen Druckes in hiesigem Fürstenthum besonders lebhaft getriebene Conterbandshandel (ihm] (...) durch Verleitung der Gebrüder Jochmann zur Teilnahme an solchen Expeditionen gebracht (...)" habe.
Conterband ist im Handel jede Ware, die gekauft oder verkauft wird, obgleich sie aus- oder einzuführen verboten ist.
Nach Schluss der Beweisaufnahme empfahl sein Strafverteidiger " (...) ohne einen bestimmten Strafantrag zu machen, (...) seinen Schützling nur der richterlichen Gnade."
Es ist aufgrund des umfassenden Geständnisses nicht davon auszugehen, dass Stapenhorst durch "die Osnabrückische Tortur" oder gar auf die "im Stifte Paderborn hergebrachte Weise" im Iburger Kerker gefoltert wurde.

Die Staatsanwaltschaft Osnabrück beantragte dagegen den Angeklagten Stapenhorst wegen Straßenraub, Raub und sieben qualifizierten Diebstählen " (...) mit dem Schwert vom Leben zum Tode zu bringen."
Diesem Antrag schlossen sich das Gericht und die Osnabrücker Justizkanzlei am 31. Dezember 1816 an.

Am 12. Februar 1817 genehmigte der hannoversche König Georg III. die beantragte Todesstrafe und deren Verzug.

Am 29. April 1817 reichte Stapenhorst durch seinen Anwalt bei der Osnabrücker Justizkanzlei ein Gnadengesuch ein.
Der Verteidiger schrieb, dass Stapenhorst nur durch die französische Besatzung in Armut geraten und dann zum Kriminellen gekommen sei; bei alles Straftaten sei es niemals zu Verletzungen der überfallenen Opfer gekommen.
Die letzte Aussage stimmte nicht: um den 21. November 1812 wurde der Knecht Gieselbrecht von Stapenhorst mit einem Stock schwer mißhandelt - auch bei der Fesselung des alten Bredeck in der Nacht vom 25. auf den 26. September 1814 wurde Gewalt angewendet, die wahrscheinlich zu Verletzungen geführt hat.
Der Verteidiger wies in dem Gnadengesuch weiter darauf hin, dass seit mehr als 40 Jahren im Fürstentum Osnabrück kein qualifizierter Diebstahl oder Raub mit der Todesstrafe geahndet worden sei.

Das Gericht in Iburg und die Justizkanzlei in Osnabrück nahmen Stellung zu dem Gnadengesuch.
Sie schrieben, dass der Straßenraub vom 10. November 1812 " (...) schon nach den französischen Gesetzen (...) für sich genommen nach den Artikeln 381 und 383 des "Code pénal" die Todesstrafe (...)" verdiene.
Artikel 381: "Personen, die sich des Diebstahls unter den folgenden fünf Umständen schuldig machen, werden mit der Todesstrafe bestraft: 1. Wenn der Diebstahl nachts begangen wurde; 2. Wenn es von zwei oder mehr Personen begangen wurde; 3. Wenn die Täter oder einer von ihnen sichtbare oder versteckte Waffen trugen; 4. (...) wer die Tracht eines Beamten oder Offiziers angezogen hat (...); 5. Wenn sie das Verbrechen mit Gewalt oder mit der Androhung des Waffeneinsatzes begangen haben.
Gleiches gelte nach Artikel 125 der "Peinlichen Gerichtsordnung Karls V." von 1523 und nach § 13 des Osnabrückischen Territorial-Gesetzes vom 26. März 1719.
Artikel 125: "Straff der Räuber Ein jeder boßhafftiger oberwundner Rauber soll nach vermög unser Vorfahren und unserer gemeiner kayserlichen Rechten mit dem Schwerd oder wie an jedem orth inn disen fellen mit guter gewonheit herkommen ist doch am leben gestrafft werden."
Außerdem stelle der verurteilte Stapenhorst " (...) ein durch seine unternommenen Raubthaten und wiederholten gewaltlichen Diebstähle dem Staate so gefährliches und inacceptables Subjekt dar (...)", dass an eine Begnadigung nicht zu denken sei.

König Georg III.
König Georg III.
Maler: William Beechey, 1799/1800

König Georg III. schrieb am 3. Juni 1817, dass " (...) im Osnabrückischen seit 40 Jahren die gesetzliche Strafe des Raubes nicht vollzogen sei (...)" und daher die Raubtaten derart zugenommen hätten, dass sich " (...) die Nothwendigkeit eines Exempels (...)" ergebe. "Es ist daher die den Gesetzen nach erkannte Strafe zu vollziehen. Charlton House [im Londoner Stadtteil Charlton], den 3. Juni 1817 Georg".

Weg vom Kerker zum Hinrichtungsplatz Stalbrink
Weg vom Kerker zum Hinrichtungsplatz Stalbrink

Am 23. Juni 1817 wurde die Todesstrafe mittels Enthauptung durch Schwert auf dem Stalbrink (auch "Stallbrink" genannt) in Oesede vollzogen - der mündlichen Überlieferung zufolgen waren " (...) alle Bäume ringsum (...) von Zuschauern besetzt gewesen (...)".
Der Scharfrichter Johan Gottfried Friedrichs aus Osnabrück erhielt wegen der Hinrichtung von Johann Heinrich Stapenhorst 19 Reichtstaler, 10 ß (=Schilling), 6 d (= Pfennig) ausgezahlt.
Der Oeseder Zimmermeister Friedrich Menkhaus, der " (...) für die Hinrichtung und Beerdigung (...) die nöthigen Gerätschaften verfertigt und geliefert (...)" hat - vermutlich das Gestell für das Schafott und den Richtstuhl - erhielt 7 Reichstaler 24 Mariengroschen. An ferneren Halsgerichtskosten erhielten Beamte, Geistlichkeit und Gefangenenwärter 18 Reichstaler, 16 ß (=Schilling); vermutlich wurde Stapenhorst vom Iburger Pastor zum Richtplatz geführt - zu diesem Zeitpunkt war Pater Placidus Frye Pfarrer der katholischen Kirchengemeinde Iburgs.
Der Scharfrichter Johan Gottfried Friedrichs erhielt am 11. April 1823 seine Bestallung auf Lebenszeit.

Der Osnabrücker Scharfrichter Johan Gottfried Friedrichs wurde Anfang Dezember 1766 in Neustadt am Rübenberge geboren. Er heiratete 1791 in Nendorf und zog 1806 mit seiner Ehefrau nach Osnabrück.
Am 11. März 1806 wurde er vom Rat der Stadt Osnabrück zunächst zum neuen städtischen Halbmeister ernannt; mit Wirkung ab 1. Januar 1814 wurde ihm zunächst provisorisch auch die Scharfrichterstelle in Osnabrück übertragen. Bei der Enthauptung von Johann Heinrich Stapenhorst war er 50 Jahre alt.

Johan Gottfried Friedrichs verstarb am 16. Februar 1839.

Der Stalbrink in Oesede (Standort heute: Hausgrundstücke Königsberger Weg 5, 7 und 9) war der zentrale Haupthinrichtungsplatz des (früheren) Iburger Gogerichts sowie der (späteren) Osnabrücker Justiz-Kanzlei.

Enthauptung von Karl Ludwig Sand am 20. Mai 1820 auf den Glaciswiesen in Mannheim
Enthauptung von Karl Ludwig Sand am 20. Mai 1820 auf den Glaciswiesen in Mannheim,
colorierter Kupferstich von Johann Michael Voltz, um 1820

Nach der Enthauptung von Johann Heinrich Stapenhorst im Jahre 1817 wurden sein Körper
und sein Kopf wahrscheinlich in einer Grube auf dem Richtplatz verscharrt -
eine christliche Beerdigung mit Sarg fand nicht statt.

"Vollzogene Strafe. Die wider Johann Heinrich Stapenhorst aus Glane, Amtes Iburg, wegen eines Raubes, sieben qualifizierter Diebstähle und Theilnahme an einem Straßenraube, den Rechten gemäß erkannte Todes-Strafe der Enthauptung, vermittelst des Schwerdtes, ist, nachdem die nachgesuchte Begnadigung Höchsten Ortes abgeschlagen worden, am 23ten d. M. vorschriftsmäßig vollzogen. Osnabrück, den 27ten Juny 1817. Königlich Großbritannisch-Hannoversche zur Justiz-Canzley verordnete Director und Räthe. [Kanzleirath Friedrich Wilhelm] Dyckhoff."

Der Tod von Johann Heinrich Stapenhorst wurde nicht in den Kirchenbüchern vermerkt, da er hingerichtet und nicht kirchlich beerdigt wurde.

Somit wurden die Bandenmitglieder nach 1815 wie folgt bestraft:

Nr.: Name, Vorname: Urteil: Urteilsdatum: Todesdatum:
(1) Stapenhorst, Johann Heinrich Enthauptung 12.02.1817 23.06.1817
(2) Jochmann, Heinrich Georg lebenslange Freiheitsstrafe mit Zwangsarbeit,
Strafanstalt Nienburg/Weser
April 1816  
(3) Jochmannn, Johann Heinrich -/-   um 1813
(4) Jochmann, Eberhard Georg -/-   08.03.1815
(5) Nonnemann, Friedrich August -/-   um 1815 ?
(6) Glosemeyer, Georg Heinrich -/-   16.07.1813
(7) Kemnah, Hermann Heinrich -/-   um 1815 ?
(8) Wiemann, Bernhard Heinrich Freiheitsstrafe 6 Monate mit Zwangsarbeit,
Strafanstalt Nienburg/Weser
April 1816 22.03.1834
(9) Eickholt, Hermann Heinrich Freiheitsstrafe 6 Monate mit Zwangsarbeit,
Strafanstalt Nienburg/Weser
April 1816  
(10) Unland, Johann Heinrich Freiheitsstrafe 1 Jahr mit Zwangsarbeit,
Strafanstalt Nienburg/Weser
April 1816  

Die Hinrichtung von Johann Heinrich Stapenhorst im Jahre 1817 war die letzte öffentliche Hinrichtung im Amt Iburg - die letzte öffentliche Hinrichtung im Königreich Hannover erfolgte am 12. Juli 1859 im "Dominalforst Belmer Sundern", wo der Schneidergeselle Heinrich Brockschmidt nach einer Kindesmißhandlung an seinem unehelichen Sohn enthauptet wurde.

Die Ära des Kerkers im Iburger Schloss endete 1856 - in einem Schreiben hieß es " (...) die in diesem Gefangenenturm befindlichen Gefängnisse werden gegenwärtig nicht mehr benutzt."

Apropos:
Auch weitere Personen aus Iburg und Glane wurden aufgrund ihrer Untaten bzw. aufgrund von Zauberei in Iburg oder Oesede hingerichtet ...

 

Das Buch "Tod am Stalbrink" mit dem Untertitel "Vollzug der Todesstrafe im Amt Iburg 1500 bis 1817" von Rainer Rottmann kann auch als pdf online (7,74 MB) heruntergeladen werden.

 

Zeitreise(n) durch Bad Iburg--- Johann Heinrich Stapenhorst