Buchbesprechung1

Andrée, K. - "Der Teutoburger Wald bei Iburg." Dissertation, Göttingen, 49 S., 1904, Druck v. Louis Hofer.

Verf. richtete sein Hauptaugenmerk darauf, einmal den Verlauf des Teutoburger-Wald-Sandsteins in mehreren parallelen Zügen, der auf Blatt Iburg sich findet, näher zu untersuchen, sodann womöglich C. Gagels2 Ergebnisse bezüglich des Wealden weiter zu verfolgen.
Die Hauptmasse der Schichten des Aufnahmegebietes, das die Gegend von Iburg, etwa von Hankenberge bis Lienen, umfaßt, gehört den Kreideschichten an, unter denen der Teutoburger-Wald-Sandstein am meisten hervortritt, dann im Süden Flammenmergel, cenomane und turone Pläner. Von älteren Schichten ferner, meist von Diluvium oder alluvialem Schutt verdeckt, die tonigen Schichten des Wealden und auch Münder Mergel, Serpulit und Gesteine des Braunen Jura.
Die Münder Mergel sind durch eine Verwerfung vom braunen Jura getrennt; es folgt der Serpulit, ein dunkler oolithischer Kalk mit Serpula coacervata Blumenb. und anderen Fossilien, der hier durch Steinbrüche aufgeschlossen ist.
Leider ist seine obere Grenze verdeckt, so daß man auch hier nicht feststellen kann, ob Süßwasserschichten, die Koerts3 "Süßwasserschichten des Purbeck" entsprechen, hier vorhanden sind, oder etwa durch Wealdenbildungen vertreten werden. Verf. schildert nun eingehend die Lagerung und Zusammensetzung des Wealden.
Ob die Diskordanz des Wealden gegenüber den älteren Schichten in der Gegend von Iburg tektonische Ursachen hat oder eine ursprüngliche, durch Transgression bedingte ist, wie Gagel, Denckmann4 und G. Müller5 es, z. T. freilich für andere Gegenden, annahmen, konnte Verf. nicht entscheiden.
Besonders aus den Wealdenkalken der Ziegeleitongrube an der Herrenrest brachte Verf. eine ganze Reihe gut erhaltener Fossilien, hauptsächlich Cyrenenarten, doch auch kleine Gastropoden (Littorinella und Valvata etc.) zusammen. Im oberen Wealden treten schwache Schwefelquellen zutage, von denen Analysen mitgeteilt werden; besonders interessant ist ein geringer Lithiumgehalt.
Die Mächtigkeit des oberen Wealden scheint zu wechseln. Angaben schwanken zwischen 60 und 290 m. Doch mag die große Mächtigkeit stellenweise durch Störungen zu erklären sein. Die von Gagel als wenigstens teilweises Äquivalent der Hastingssandsteine gedeuteten roten Mergel hält Verf. eher für Münder Mergel, die infolge einer Störung nur scheinbar über dem Serpulit liegen.
Wichtiger ist Gagels Angabe, daß der Wealden allmählich in die überlagernden marinen Neokomschichten übergeht, was durch Harborts6 genaue Untersuchungen bei Müsingen bestätigt wird; soviel ist nach Verf. sicher, daß überall in den Kohlengruben am Deister, Osterwald, Süntel und bei Obernkirchen die marinen Schichten der unteren Kreide, das unter Valanginien mit den Oxynoticerasarten, konkordant auf dem Wealden liegen. Ebenfalls zum Neokom gehören bröckelige, graue Schiefertone, die in mürbe, bräunliche Sandsteine übergehen, am Nordhang des Musenbergs im unmittelbaren Liegenden des Teutoburger-Wald-Sandsteins.
Die in ihnen gefundenen Cephalopoden rechtfertigen ihre Deutung als oberes Valanginien.
Außerdem erwähnt Verf. noch andere mindestens 100 m mächtige Neokomtone, in denen ehemals Fossilien gefunden wurden, die jedoch verloren gegangen sind.
Von dem Teutoburger-Wald-Sandstein liefert Verf. eine besonders eingehende Beschreibung und ein reiches, 5 Seiten umfassendes Fossilverzeichnis, in dem auch die von Weerth7 und Wollemann8 erwähnten Arten aufgeführt sind. Nur wenig jünger als die oben erwähnten Schiefertone, aber auch noch oberes Valangien, sind die Sandsteine des Hohnsberges mit ihren Formen aus der Verwandtschaft des Polyptychites bidichotomus Leym. Dem oberen Hauterivien gehören die Sandsteine am Südhang des Dörenberges an, die etwa denen vom Tönsberg bei Örlinghausen entsprechen; die Sandsteine des Hochholz mit Crioceras Strombecki v. Koenen sind nach v. Koenen9 als unterstes Barrêmien zu deuten.
Jüngere Neokomhorizonte ließen sich nicht feststellen, doch ist es wahrscheinlich, daß selbst noc das untere Albien durch die Sandsteinfazies vertreten ist, da unmittelbar darauf im Hankenberger Bahneinschnitt Tone anscheinend des oberen Albien (Minimustone) folgen.
Die obere Grenze des Flammenmergels ist nicht aufgeschlossen.
Cenoman und Turon entsprechen im allgemeinen der bekannten Ausbildung. Verf. teilt eine Reihe Fossilien und zwei Analysen aus dem Cenomanpläner mit. Rote Schichten in der Mytiloideszone wurden nicht beobachtet.
Im Scaphitenpläner scheinen hier ebenfalls Grünsande aufzutreten. Cuvieripläner wurde nicht mehr beobachtet.
Diluvium legt sich im Süden auf und reicht durch die Quertäler z. T. in die Längstäler hinein. Einzelne Geschiebe finden sich bis zu 200 m Meereshöhe.
Aus der kurzen Besprechung der Tektonik lassen sich folgende Hauptzüge hervorheben:
Der Osning besteht in der Iburger Gegend aus mehr oder minder parallelen Zügen von meist steil nach Süden einfallenden, teilweise überkippten Plänern und Teutoburger-Wald-Sandstein, durch streichende und Querbrüche in stark gestörter Lagerung.
An der Laër Egge ist oberer Wealden neben Neokomsandstein verworfen, wohl durch die Fortsetzung der streichenden Störung, die Dütting10 im Hankenberger Bahneinschnitt beobachtete, und die dort Kimmeridge neben Neokom gelegt hat. Die Sandsteinmasse des Dörenberges, Hochholzes etc. dürfte im südlichen Teil eine Mulde, im nördlichen ein Gewölbe bilden. Zwischen diesen beiden Neokomsandsteinzügen liegt stark gestört, aber im allgemeinen sattelförmig gelagert, Wealden mit Durchragungen langer Streifen älterer Gesteine, besonders von Serpulit, aber auch von Münder Mergel und braunem Jura. Dieser Aufbruchsattel ist wahrscheinlich die Fortsetzung der von Dütting aus dem Hankenberger Bahneinschnitte beschriebenen "Sattelspalte".
E. Meyer11.

 

Zur Mächtigkeit des roten "Gaultsandsteins" von Iburg im Vergleich zu Altenbeken bemerkte Karl Andrée 190912: "Auf S. 18 dieser Monatsberichte hat Herr Hans Stille13 neben anderen Fachgenossen auch mir vorgehalten, den roten ,Gaultsandstein" von Altenbeken14 in das Untere Albien gestellt zu haben. Herr Stille stützte sich dabei, wie er mir auf eine Anfrage freundlichst mitteilte, auf zwei Absätze meiner Dissertation von 1904, die ich hier wörtlich anführen will, um das Irrtümliche seiner Angabe festzustellen. Ich schrieb (a. a. O. S. 25) im zweiten Absätze der Charakterisierung des Neocom- oder Teutoburger Wald-Sandsteines bei Iburg: ,Die Gesamtmächtigkeit des Sandsteines beträgt anscheinend gegen 200 m und ist so um vieles größer als in der Gegend von Altenbeken, wo Stille 60-65 m (Neocom-Sandstein + ,Gaultsandstein") angab." Gerade die eingeklammerten Worte dürften zur Genüge zeigen, daß nur die Mächtigkeiten der Sandstein-Facies beider Gegenden verglichen werden sollten, und daß die geringere Mächtigkeit bei Altenbeken stratigraphisch mehr umfaßte als die größere in anderen Teilen des Bergzuges, ein Umstand, durch welchen das Anschwellen der Mächtigkeit des Neocom-Sandsteines nach Nordwesten zu um so mehr hervortreten mußte. Wenn ich dann weiterhin (a. a. O. S. 36) nach Anführung meiner auf Valanginien, Hauterivien und Unterstes Barrêmien hinweisenden Funde als Resultat meiner Untersuchungen über den stratigraphischen Umfang der Sandsteine bei Iburg angab: ,Jüngere Horizonte des Barrêmien sowie Aptien ließen sich durch Fossilfunde nicht nachweisen; doch ist es nicht unwahrscheinlich, daß selbst das Untere Albien noch durch die Facies des Teutoburger Wald-Sandsteines vertreten wird, zumal da unmittelbar über dem letzteren nach den Auf- schlüssen in Hankenberger Bahneinschnitte Tone anscheinend schon des Oberen Albien folgen so galt dieses Resultat eben nur für die Iburger Gegend, und ist es, mir wenigstens nicht ersichtlich, wo in diesen beiden Absätzen, auf die Herr Stille sich bezieht, eine Einstellung des Gault-Sandsteines von Altenbeken in das Untere Albien erfolgt sein soll."

 

1 Buchbesprechung aus: KEILHACK, Friedrich Ludwig Heinrich Konrad (Hrsg.; 1858 - 1944): Geologisches Centralblatt. Anzeiger für Geologie, Petrographie, Palaeontologie und verwandte Wissenschaften. Band V, No. 17., Leipzig, 15. Dezember 1904 (S. 745 - 747).
2 Gagel, Friedrich August Wilhelm Curt (1865 - 1927): Beiträge zur Kenntnis des Wealden in der Gegend von Borgloh - Ösede sowie zur Frage des Alters der norddeutschen Wealdenbildungen. In: Jahrbuch der preußischen geologischen Landesanstalt, Band 14, Berlin 1894.
3 Koert, Willi (1875 - 1927): Geologische und paläontologische Untersuchung der Grenzschichten zwischen Jura und Kreide auf der Südwestseite des Selter. Dissertation. Göttingen 1898.
4 Denckmann, August (1860 - 1925): Ueber die geognostischen Verhältnisse der Umgegend von Dörnten nördlich Goslar, mit besonderer Berücksichtigung der Fauna des oberen Lias. Dissertation. Göttingen 1886.
5 Müller, Gottfried (1862 - 1906): Beitrag zur Kenntnis der oberen Kreide am nördlichen Harzrande. Jahrbuch der preußichen geologischen Landesanstalt, Band 8, Berlin 1887.
6 Harbort, Erich (1879 - 1929): Die Schaumburg-Lippe'sche Kreide-Mulde. Dissertation. Göttingen 1903.
7 Weerth, Otto (1849 - 1930): Die Fauna des Neocomsandsteins im Teutoburger Walde. In: Paläontologische Abhandlungen. Berlin 1884.
8 Wollemann, August (1862 - 1920): Die Bivalven und Gastropoden des deutschen und holländischen Neocoms. In: Abhandlungen der Königlich Preußischen Geologischen Landesanstalt, Neue Folge, Heft 31, Berlin 1900.
9 Von Koenen, Adolf (1837 - 1915): Die Ammonitiden des Norddeutschen Neocom (Valanginien, Hauterivien, Barrêmien und Aptien). In: Abhandlungen der Königlich Preussischen Geologischen Landesanstalt und Bergakademie. Neue Folge, Heft 24. Berlin 1902.
10 Dütting, Christian (1862 - 1921): Geologische Aufschlüsse an der Eisenbahnlinie Osnabrück - Brackwede. In: Jahrbuch der Königlich Preussischen Geologischen Landesanstalt, Berlin 1888.
11 Meyer, Erich (1874 - 1914): Der Teutoburger Wald (Osning) zwischen Bielefeld und Werther. Dissertation. Göttingen 1903.
Seit 1903 geologischer Mitarbeiter der Preussischen Geologischen Landesanstalt.
12 In: B. Monatsberichte der Deutschen Geologischen Gesellschaft, Band 61, S. 197 - 198, Berlin 1909.
13 Stille, Hans (1876 - 1966): Das Alter der Kreidesandsteine Westfalens. In: B. Monatsberichte der Deutschen Geologischen Gesellschaft, Band 61, S. 17 - 26, Berlin 1909.
14 Stille, Hans: Der Gebirgsbau des Teutoburger Waldes zwischen Altenbeken und Detmold. Berlin 1900.


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